TCRNo9: Fazit und meine 10 wichtigsten Lektionen
Wie lief es eigentlich die letzten Wochen? Die Erholung vom TCR funktionierte wesentlich besser und schneller als letztes Jahr. Warum eigentlich? Die Strecke war durch die vielen Schotter Passagen und die höhere Anzahl an Höhenmetern sicher härter als 2022, wenn sie auch deutlich kürzer war. Zudem waren heuer die Anstiege steiler und zahlreicher. Trotzdem musste ich heuer unterwegs weniger leiden und hatte weniger körperliche Probleme. Größter Unterschied war sicher die Ernährung und die Schlafstrategie:
Ich ließ Cola und Snickers fast ganz weg, und die fürchterlichen 7-Days Croissants waren wirklich total gestrichen. So zumindest der Plan, in der Realität war es natürlich etwas anders. Nach 6 Wochen Koffein Entzug vor dem Start war dieser Wirkstoff wieder sehr deutlich spürbar, und so hatte ich pro Tag immer nur 1 Cola in der Früh, um wach zu werden – und das auch erst, als meine Peeroton Koffein Gels aufgebraucht waren.
Snickers hatte ich immer ein paar eingekauft, aber eher als Notration für einsame Nächte und nicht als Hauptnahrungsmittel, so wie letztes Jahr. Und bei den Croissants griff ich nur ein einziges Mal zu, als mir ein netter albanischer Verkäufer in seiner kleinen Tankstelle eines anbot und mir mit liebevollem Blick fast ans Herz legte, ich möge doch dieses tolle Croissant mal probieren, da es das Beste aus seinem Sortiment war. Da wurde ich natürlich schwach.
Beim Schlafen wurde meine ursprüngliche Taktik von einer Kombination aus outdoor Nächten im Schlafsack und Unterkünften durch das nasskalte Wetter und die daraus entstandenen Sitzprobleme über Bord geworfen, und ich schlief schlussendlich jede Nacht in einem Zimmer. Und das sehr regelmäßig und „ausgiebig“, nämlich für 2:40h bis 3:00h pro Nacht. Dadurch hatte ich nicht nur keine Müdigkeitsprobleme untertags, sondern auch nach dem Rennen spürbar bessere Regeneration, bzw. war ich unterwegs niemals so kaputt als letztes Jahr.
Warum habe ich es trotzdem so lange nicht geschafft, diesen Artikel zu schreiben?
Ich habe einfach den Sommer genossen, und dabei als Sportfan auch jede Menge Sportgroßereignisse mitverfolgt. An dieser Stelle möchte ich euch die schnellsten Live-Ergebnisse ans Herz legen. Gerade wenn Events wie die Vuelta und die US Open parallel laufen, kann man dort wirklich fein alle Livescores im Überblick behalten. Flashscore.at war in den letzten Wochen eine meiner Lieblings-Websites ;-)
Aber kommen wir jetzt zu den Details des TCR:
Fakten, Auswertungen, Leistungsdaten:
Geplante Daten laut komoot:
TCRNo8 2022: 4300-4400km und 42.000Hm – 9,6 Hm/km (verschiedene Varianten geplant)
TCRNo9 2023: 3670km und 46.000Hm – 12,5 Hm/km
Absolvierte Daten laut followmychallenge-Tracking (diese Distanzen sind höher als tatsächlich, da der Tracker nur alle 5 Minuten den Standort sendet und die volle Route dann hochgerechnet wird):
TCRNo8 2022: 4578km = 477km/Tag, Finishzeit 9d:14h, Pausenzeit gesamt 1d:19h
TCRNo9 2023: 3939km = 453km/Tag, Finishzeit 8d:16h:30m, Pausenzeit gesamt 1d:10h
TCRNo9 - Von Checkpoint zu Checkpoint im Detail (Daten aus Trainingpeaks):
Etappe | km | Zeit | Bew-Zeit | Hm | Pause | NP |
1 | 1063 | 48:47:00 | 44:57:00 | 13200 | 03:50:00 | 197W |
2 | 530 | 31:30:00 | 22:53:00 | 6000 | 08:30:00 | 159W |
3 | 973 | 50:50:00 | 44:17:00 | 10800 | 06:33:00 | 164W |
4 | 652 | 48:00:00 | 39:26:00 | 12100 | 08:34:00 | 152W |
5 | 459 | 29:04:00 | 24:08:00 | 4100 | 04:56:00 | 128W |
SUMME | 3677 | 08:16:30 | 07:08:07 | 46200 | 32:23:00 | 165W |
Training Stress Score:
4600 TSS insgesamt laut Trainingpeaks
Geschwindigkeit:
18,9 km/h laut GPS Tracker
17,6 km/h brutto laut Trainingpeaks
20,9 km/h netto laut Trainingpeaks
Verbrannte kcal insgesamt laut Strava:
103.857 kcal = 93053kJ (Gesamtarbeit)
Entspricht: Verlust von ca. 15kg Körpergewicht (falls man theoretisch nichts zu sich nehmen würde)
oder 350 Flaschen Ensure Plus
oder 28,6 kg Peeroton Hi-End-Endurance Pulver
oder 340 Snickers
oder 260 Zimtschnecken, das sind 30 pro Tag oder 1 Zimtschnecke pro 48 Minuten
Links:
Strava Auswertungen in meinem Profil: https://www.strava.com/athletes/17418026
GPS-Tracking mit Replay: https://www2.followmychallenge.com/live/tcrno9
Meine 10 Lektionen aus dem TCRNo9:
1. Setup: Vertraue deinen Reifen!
Immer wieder werde ich gefragt, warum ich nicht auf Tubeless umsteige, da dies ja so etwas wie eine Garantie für pannenfreie Fahrt sein sollte.
Das hier ist meine ganz persönliche Meinung, und sie mag altmodisch klingen: Für mich ist es am Rennrad nach wie vor ziemlich gleichwertig, für mich haben beide Systeme Vor- und Nachteile. Bei voluminösen Reifen am Bike oder Gravelrad scheint tubeless ganz klare Vorteile zu bieten, aber am Rennrad mit den schmaleren Reifen hat das Fahren mit Schlauch nach wie vor seine Vorteile:
Im Pannenfall ist das ganz schnell und simpel behoben, Schläuche kann man wirklich überall nachkaufen, meist auch reparieren. Tubeless ist bei den schlankeren Reifen mit höherem Druck und weniger Volumen nicht sicher genug, die Luft ist sehr schnell entwichen und die Dichtmilch hat dadurch zu wenig Zeit um ein Loch abzudichten. Und wenn man mal einen richtig großen Schnitt im Reifen hat, muss man das Ventil entnehmen, mit der Milch herumpatzen, und erst wieder einen Schlauch einziehen (den man ja auch mitschleppen muss).
Ich setze auf den Roubaix Pro 25/28mm Reifen. Der hat mich schon bei 2 TCRs nicht enttäuscht und rollt auf Asphalt auch noch ganz gut. Beim TCR sind es ja doch 95% Asphalt, also sollte ich den Reifen dafür aussuchen, und nicht auf die 5% Schotter abstimmen, die ich notfalls auch langsam fahren oder schieben kann. Im Vorjahr hatte ich bei der Fahrt gar keinen Platten (sehrwohl aber 2x beim Parken des Rades im Gebüsch), heuer auch nur drei, wobei einer definitiv ein Fahrfehler (nachts über eine Kante) war, einer auf groben Schotter passierte, und nur einer auf schöner Straße wegen eines Scherbens.
Was ich wirklich empfehlen kann, weil ich das letztes Jahr vergessen hatte: Einen Presta-Ventiladapter, um an der Tankstelle mit dem Auto-Kompressor aufpumpen zu können, und einen kleinen Schrauber, der für den Ventilkopf gemacht ist. Der ist zB bei jeder Ventilverlängerung dabei, und damit kann man unterwegs auch das Ventil wechseln oder fest schrauben.
Dazu noch 3 Pannenflicken, 2 Reserveschläuche und eine kleine Rahmenpumpe. Damit fühle ich mich bestens ausgestattet.
2. Gepäck und Komfort: Spare nicht am falschen Fleck!
Natürlich ist geringes Gewicht ein Vorteil, niemand will auf einer langen Tour über viele Berge unnötigen Ballast mit sich schleppen. Jedoch bin ich persönlich trotzdem der Meinung, dass ich im Zweifelsfall lieber etwas mehr dabei habe, um für jedes mögliche Problem gerüstet zu sein. Zum Beispiel habe ich in 20 Jahren Radfahren überhaupt noch nie einen Kettenriss gehabt, trotzdem habe ich ein Kettenschloss und ein paar Kettenglieder dabei. Ich würde es mir nicht verzeihen, wenn mir unterwegs die Kette reißt und ich das nicht reparieren kann, oder dann einen ganzen Tag verliere, bis ich das Rad in die nächste Werkstatt schiebe und dafür noch einen Umweg in Kauf nehmen müsste. Genauso sehe ich das mit einer zweiten Hose: Ja, man kann mit einer Hose durchfahren, aber aus Hygienegründen bin ich da vorsichtig und packe lieber eine Ersatzhose ein, um unterwegs zu wechseln, und die andere zu waschen und zu trocknen. Ebenso bei viel Regen ist eine trockene Hose gut, um Sitzbeschwerden vorzubeugen.
Bei der Beleuchtung bin ich mittlerweile absolut überzeugt von Nabendynamo und der Supernova M99Dy Pro – extrem hell, mit Fernlicht-Funktion und auch sehr leicht. Ich denke, dass es deutliche Vorteile gegenüber der Akku-Version hat, denn auch der Akku plus das spezielle Ladegerät haben Gewicht. Und mit dem Dynamo und dem USB-Pufferakku können alle elektronischen Geräte unterwegs geladen werden.
Was für mich auch wichtig war: Etwas dickere Polsterung unter dem Lenkerband und ein weiches Lenkerband um den Bremsgriff, um die sensiblen Nerven an den Händen vor Nervenirritationen und „Einschlafen“ zu schützen.
Link zum Instagram Reel von meinen Taschen by Apidura: https://www.instagram.com/reel/Cvha2hooB5q
Link zum detaillierten Setup und zur Packliste vom TCRNo8 in 2022: https://www.christophstrasser.at/erfolge_berichte_archiv/
3. Ernährung: die wichtigste Investition!
Bei all meinen Rennen mit Betreuerteam, beim RAAM, beim RAA und auch bei jedem 24h Rennen wusste ich, dass die Ernährung der Schlüsselfaktor ist, um die Leistungsfähigkeit, aber auch die mentale Verfassung (Konzentration, Stimmung) hoch zu halten. Unsupported ist das natürlich komplett gleich, nur mit einem wichtigen Unterschied: Während ich beim RAAM hunderte Flaschen Ensure Plus und kiloweise Peeroton Hi-End Endurance mitnehmen kann und permanent ideal versorgt bin, ist beim TCR der Transport nur sehr limitiert möglich. Im Endeffekt hatte ich 2 von 4 Flaschen am Start mit einem extrem dick angerührten Peeroton-Sirup befüllt (einfach sehr viel Pulver mit wenig Wasser, Konsistenz ähnlich wie Gels oder Honig), damit ich damit die ersten 2 Tage gut mit hochwertigen Kohlenhydraten versorgt bin und das Ganze nur mit Wasser strecken muss. Andererseits hatte ich 6 Koffein-Gels und so viele Riegel, wie noch irgendwie Platz hatten, im Gepäck. Ich wollte den Junk-Food Anteil von Tankstellen und Shops unterwegs stark reduzieren.
Und ich habe so gut wie möglich auf Snickers und Cola verzichtet. Bei den 7-day Croissants gab es nur eine Ausnahme, die Snickers waren immer das Backup für Passagen in der Nacht oder schlechter Infrastruktur, und Cola gab es nur 1 Dose pro Tag.
Hauptsächlich habe ich reinen Zucker, also dicke Fruchtsäfte getrunken, womit ich weniger chemischen Scheiß zu mir nahm, die Verdauung schonte, und ebenso Fructose und Glukose bekam. Als festes Essen gab es unterwegs viel Weißbrot, das ist ja gerade in Frankreich und den südosteuropäischen Ländern überall frisch erhältlich und kann unkompliziert unters Trikot gesteckt werden.
Besonders achtete ich auch auf die Proteinversorgung. Ich hatte eine kleine Dose BCAAs dabei und kaufte unterwegs immer wieder Fisch, meist Thunfisch oder auch geräucherten Fisch. Das enthält viel Salz, gutes Fett und Protein. Und alles was verpackt ist, birgt auch keine Gefahr für verdorbenes oder kontaminiertes Futter.
4. Schlafen: der Rhythmus bringts!
Beim TCRNo8 in 2022 hatte ich die Strategie, dass ich prinzipiell abwechselnd eine Nacht im Freien und eine Nacht in einem Zimmer schlafen wollte, was ich dann auch so durchzog, bis auf die letzten 3 Nächte, die ich allesamt irgendwo ohne Zimmer verbrachte: am serbischen Donau Ufer, in der offenen Ukleide Kabine eines rumänischen Sportplatzes, und mitten in einem bulgarischen Getreidefeld.
Ich war untertags immer wieder sehr müde und hatte vor allem morgens, wenn die Sonne aufging und das Morgengrauen einsetzte, ganz schlimme Müdigkeits Attacken und musste einige Male für einen Powernap stehenbleiben, um mich selbst nicht in Sturzgefahr zu bringen. Ich dachte grundsätzlich dass das normal ist und die Strategie ganz gut war.
Eigentlich hätte ich den Plan für das TCRNo9 gleich angedacht, doch es kam dann anders: Viel Regen und Kälte in den ersten Tagen machten mir die Vorstellung, durchnäßt an einer Bushaltestelle oder einer Bahnhofswartehalle zu schlafen, ziemlich unmöglich. Ich bin nicht ganz der wilde Abenteurer, sondern möchte so schnell und sicher wie möglich ins Ziel. Und da ist ein warmes trockenes Zimmer definitiv wichtig, alleine schon zum Trocknen der Bekleidung. Als ich dann auch noch leichte Probleme am Gesäß bekam, wollte ich nochmals in ein Zimmer, weil das ob der Hygiene ein riesiger Unterschied ist: Duschen, die Haut trocknen lassen, eincremen. Offene Stellen am Gesäß können sehr schnell sehr schlimm werden, wenn man sich da nicht drum kümmert. Obwohl ich nach wie vor zu 100% von der Qualität der Radhosen von owayo überzeugt bin, konnten diese auch keine Sitzbeschwerden verhindern – sehr wohl aber eine weitere Verschlechterung vermeiden.
Jedenfalls war es dann auch im zweiten Teil des Rennens besser in Zimmern zu übernachten, denn dann wurden die Straßen richtig schlecht und es gab nicht nur auf den Parcours, sondern auch auf den „Bundesstraßen“ immer wieder lange Abschnitte mit Schotter. Und da litt der Hintern immer weiter und brauchte ein bisschen Versorgung in den Nächten.
So kam es, dass ich im ganzen Rennen jede Nacht in einem Zimmer eincheckte. Immer zwischen 00:00 und 01:00 Uhr und immer für etwa vier Stunden, wobei die Schlafzeit 3:00 Stunden betrug – manchmal waren es auch nur 2:40 Stunden. Jedenfalls war der Schlaf immer zur gleichen Zeit, immer etwa gleich lang, und immer in einem richtigen Bett. Und das Ergebnis war: Super Regeneration, kein einziger Powernap untertags, weil ich niemals Müdigkeits Attacken hatte, und ein Popo, der durchhielt.
Etwas herausfordernd kann die Quartier Suche sein, denn auch die Booking App ist keine Wunderwaffe: Manchmal stimmt die hinterlegte Adresse nicht, und man ist dann mitten in der Nacht irgendwo in der Pampa am falschen Ort und muss hoffen, dass irgend ein Mensch in der Nähe den Weg kennt. Oder man darf nicht mehr einchecken, weil es zu spät ist. Oder das Guest House ist ausgebucht und der Besitzer verlegt einen dann in sein persönliches Schlafzimmer zu ihm und seiner Frau.
Schlafen unter Sternenhimmel ist sicher romantischer, aber schlafen in Quartieren ist effizienter. Vor allem beim Aufstehen ist man sehr schnell: Rein ins trockene Gewand und Abfahrt. Und überhaupt finde ich die Zimmer-Strategie sehr gut: Kein Suchen von geeigneten Plätzen, kein Vorbereiten vom Schlafplatz, kein Einpacken vom feuchten Schlafsack (was mit tauben Fingern schon richtig lange dauern kann).
Und weil das alles so gut funktionierte, war ich in der letzten Nacht noch fit genug, um diese durchzufahren – nur in dieser letzten Nacht brauchte ich 2 Powernaps anstelle der 3:00 Stunden Schlaf.
5. Route: Kurz oder Lang – für jeden anders
Was beim TCR extrem viel Arbeit und Aufwand ist, und was für viele sehr unangenehm ist, kann auch seine Vorteile und schönen Seiten haben: die individuelle Routenplanung. Beim Beobachten der Routenwahl kann man mindestens vier Verhaltensmuster und Strategien erkennen:
- Abkürzungen erwünscht, gerne auch abseits der Straßen: Hier werden aufgrund möglicher Zeitersparnis gerne die wildesten Routen genommen, umso kürzer, desto lieber. Der Untergrund ist egal, Hauptsache man spart sich ein bisschen was. Bestes Beispiel hierfür ist Robin Gemperle, mit dem ich mich tagelang Kopf-an-Kopf duellierte. Robin nahm alle möglichen offroad-Abkürzungen und holte damit immer wieder auf mich auf. Insgesamt war seine Route um etwa 250 Kilometer kürzer als meine. Robin musste allerdings im Laufe des Rennens wegen eines Defekts neue Reifen kaufen – hier sieht man, dass Abkürzungen auch noch Tage später Folgen haben können.
- Asphalt erwünscht, gerne auch mit Umwegen: Zu dieser Denkweise zähle ich mich selbst. Ich gehe immer gerne auf Nummer sicher, möchte keine unnötigen Risiken eingehen, will Stürze oder Defekte am Rad vermeiden, den wunden Hintern und die tauben Finger schonen. Ich plane gerne Umwege, damit ich unwegsames Gelände umfahren kann. Vor allem nehme ich auch immer die flache Variante und wähle am liebsten die geringeren Höhenmeter, falls es so eine Option gibt. Bestes Beispiel war meine Route in der Schweiz, als ich die Offroad-Abschnitte entlang des Vierwaldstätter Sees vermied indem ich 100 Kilometer Umweg über Chur in Kauf nahm, um dann zum Beginn des Parcours 1 in Bellinzona von Norden einzufahren, und damit auch den San Bernardino Pass zwei Mal zu fahren. Dafür sparte ich mir den St. Gotthard Pass – es war also in Bezug auf Höhenmeter ziemlich gleich, dafür hatte ich 100 km mehr auf herrlichem Asphalt. Schneller war sicher die Route entlang des Sees, aber ich wollte bei Regen in der Nacht keine mir unbekannten Schotterpassagen fahren. Zur Info: Die Bundesstraße entlang des Sees wurde schon im Februar von der Rennleitung verboten, im Juli dann sogar von den Schweizer Behörden für Fahrräder komplett gesperrt, daher musste man offroad Routen oder große Umwege nehmen.
- Fahrradromantiker: Beim Blick auf den GPS Tracker weiß man nicht, ob Leute dieser Kategorie entweder extrem schlecht planen, oder – was ich eher glaube – nicht die schnellste oder effizienteste, sondern die schönste Route nehmen. Hauptsache hohe Pässe, Panorama Routen, oder möglichst nette Regionen. Diese TeilnehmerInnen wollen nicht so schnell wie möglich ins Ziel, sondern so viel wie möglich erleben. Respekt!
- Hoppala, falscher Weg: Auch das sieht man sehr oft. Leute drehen um, entscheiden sich dann unterwegs doch für eine andere Route, oder sind komplett am Holzweg. Wer beim Dotwatchen auf Details achtet, kann anhand der Punkte auf der Landkarte oft erstaunliche Geschichten entdecken. zB geschlossene Grenzübergänge, wo Leute wieder umkehren und zu einem anderen fahren müssen. Oder stillgelegte Fähren, so wie es Ulrich Bartholmös 2022 erleben musste. Aber auch eine verzweifelte Suche nach dem Quartier, so wie es mir heuer in Theodoriana beim Parcours 4b passierte.
6. Alternative Routen einplanen!
Beim Routenplanen kann man sich ewig in Details verlieren. Irgendwann muss man einfach Schluss machen und die Route so nehmen, wie man sie eben hat – denn wer hier Perfektionismus betreibt, kann damit theoretisch Jahre verbringen. Und irgendwie sollte man ja auch noch genug Zeit zum Trainieren investieren.
Aber es lohnt sich trotzdem, einige Details zu überlegen: Welche Route klappt immer und bei jedem Wetter? Da mache ich mir natürlich keine Alternative.
Aber gibt es Passagen, die wetteranfällig sind? zB könnte man bei der Entscheidung Lesachtal oder Lienz – Gailberg so vorgehen: Starker Wind im Drautal – besser über Lesachtal. Bei Wetterextremen – besser beide Routen geplant haben und spontan entscheiden.
Oder wenn man sich eine offroad-Abkürzung plant, ist die Frage gut: Will ich das auch in der Nacht oder bei Regen machen, oder nur bei Schönwetter und Tageslicht? Gibt es sonst eine Alternative, die ich planen und griffbereit am Garmin haben kann?
Wo ich heuer gut geplant habe war die Grenze von Albanien nach Griechenland, denn die war in der Nacht geschlossen. Ob das wirklich so ist, wusste ich im Vorfeld zwar nicht definitiv, aber ich habe es aus Internet Recherchen geahnt, denn es gab unterschiedliche Infos, und damit witterte ich eine mögliche Komplikation. Also ging ich wieder mal auf Nummer sicher: Wenn ich nicht zu einer gewissen Zeit in Pogradec bin, muss ich den Umweg über einen großen Grenzübergang nehmen, der definitiv rund um die Uhr geöffnet ist. Nur wenn ich noch früh genug an dieser Kreuzung durchkomme, fahre ich auf meiner idealen Route weiter und nehme den kleinen Grenzübergang.
Im Rennen war ich dann glücklicherweise tagsüber dort, und alles war gut. Aber anderen passierte es tatsächlich, dass sie die kleine Grenze (südlich von Leskovik) in der Nacht nicht passieren konnten, und einige Stunden warten mussten. Daher lohnt es sich immer, alternative Routen parat zu haben und bei Grenzübergängen außerhalb der EU vorsichtig zu planen.
7. Nur Bares ist Wahres!
Umso weiter man in ländliche Regionen kommt, und umso weiter es nach Südost Europa geht, umso wichtiger ist Bargeld. Ich empfehle es wirklich dringend, immer Bargeld dabei zu haben, idealerweise gut am Körper versteckt und auf mehrere Orte aufgeteilt (angeblich sollte in der Schuhsohle ein guter Platz für den Notgroschen sein). An Tankstellen wird überall immer mit Karte bezahlt, aber Quartiere in Kroatien, Bosnien, Montenegro, Albanien und Griechenland akzeptieren nur mehr selten eine Kreditkarte. Ich habe mir zwar im Vorfeld schon bei der Bank die Währungen dieser Länder besorgt und stand mit einigen Scheinen an Franken, bosnischem und albanischem Cash am Start, doch ich hatte eine Situation, wo ich viel Zeit verlor: In Griechenland, einem Euro Land, hatte ich kein Bares mehr dabei, weil mir das in einer Unterkunft abgenommen wurde. Eigentlich hätte dort Karte akzeptiert werden sollen, doch als beim Einchecken meine Euros gesehen wurden, wurden diese sofort verlangt.
Und weil ich kurz vor Griechenland noch in Albanien war, habe ich darauf vergessen, mir an einem Bankomaten wieder Euro-Scheine zu besorgen. So stand ich also in einem Geschäft und musste Zeuge werden, wie der nette und äußerst entspannte Herr an der Kassa in seiner ruhigen Art geduldig versuchte das Karten-Terminal in Gang zu bringen. Er ließ sich von meiner Hektik und wachsenden Ungeduld nicht anstecken und nahm sich eine halbe Stunde Zeit, bis er das Lesegerät schließlich zum Leben erweckte. Ich hatte bis dahin schon fast alles ausgetrunken und aufgegessen und bezahlte dann die leeren Sachen mit meiner Visa. Direkt danach fuhr ich zum Bankomaten und hob Euros ab, denn das sollte mir nicht noch einmal passieren.
8. Ersatzgeräte: Handy oder Garmin?
Ich habe schon oft in Foren gelesen, dass viele sich einen zweiten Garmin als Backup mitnehmen. Das habe ich mir auch überlegt, aber nach Abwiegen von Vor- und Nachteilen habe ich mich für ein zweites Handy, und nur einen Garmin entschieden.
Und zwar deshalb, weil Garmins wirklich haltbar und wasserfest sind. Schlimmstenfalls kann es bei riesigen Streckenabschnitten zum Einfrieren des Garmins kommen, doch ein Reset und Neustart beheben das Problem immer. Wichtig ist es ja auch, seine Routen in Tagesabschnitte aufzuteilen, die der Garmin problemlos berechnet. GPX Dateien über mehrere Tausend Kilometer können Schwierigkeiten verursachen.
Und im aller schlimmsten Fall, wenn der Garmin kaputt wird, verloren geht oder man nicht laden kann, dann geht immer noch das Handy als Backup. Die meisten Routenplanungs Apps, wie der „Gravel-Finder“ komoot, können auch navigieren. Das Handy kann also den Garmin ersetzen, umgekehrt jedoch nicht.
Und wenn das Handy ausfällt, dann kann es richtig bitter werden: Google Maps, Live-Tracking, Booking-App für Quartiere, WhatsApp um den Lieben zu sagen dass alles gut ist, Übersetzungs App in den Ländern wo mit Deutsch und Englisch nichts geht. Das und noch viel mehr kann nur das Handy, und das ist wirklich wichtig.
Daher habe ich mich für 1 Garmin und 2 Handies entschieden, die ich beide vorher mit einer identischen Rufnummer, verknüpften WhatsApp Konten, identischen Google und komoot offline Maps und den nötigen Apps und Accounts ausgestattet habe, sowie die Fotos unterwegs in einer Cloud gesichert habe. Somit kann kein Verlust, kein leerer Akku, kein Regenwasser in der USB Ladebuchse für Probleme sorgen, denn ich hatte immer zumindest ein Telefon, das geladen und trocken war.
9. Connection: e-Sims sparen Stress und Kosten
Wenn wir schon über Handies reden, dann ist auch das Thema der Kosten nicht unwichtig. Denn nur innerhalb der EU ist das Roaming quasi abgeschafft. In den Balkanländern und der Schweiz kann man sich für ein paar MB Datennutzung schon mal sein Sparschwein schlachten oder einen Kredit aufnehmen. Das wird brutal teuer.
Möglichkeit 1: Man kauft sich in jedem Land eine günstige Sim Karte mit ein paar MB oder GB Daten, legt sie ins Handy, und kann dann alles nutzen, das man unterwegs braucht. Geht gut, ist aber mühsam, und kann man sich vielleicht nicht überall und zu jeder Tageszeit eine Sim Karte kaufen.
Möglichkeit 2: Die neueren Handies sind e-Sim fähig. Das sind so etwas wie digitale Sim Karten und können schon Wochen vorher mit Guthaben aufgeladen werden. Ich persönlich hatte die e-Sim von Airalo, die ich in der App von Airalo vorher installiert habe, und als Betrag habe ich circa 50 US Dollar für 10 GB bezahlt, die weltweit in fast allen Ländern gelten (es gibt ein paar exotische Länder die fehlen, aber alle TCR Länder waren inkludiert).
Somit wird diese digitale Sim außerhalb der Roamingzone aktiviert und alles funktionierte stressfrei.
Wo ich das schmerzlich vermisst habe: Voriges Jahr hatte ich ein Handy, das nicht e-Sim kompatibel war, und danach eine Handy-Rechnung von 800 Euro, weil ich aus Serbien zu Hause angerufen habe, einmal ein Gespräch angenommen habe, und einige Mal online ging. Das war eine teure Lektion.
10. Stromversorgung: das Märchen von der Wasserdichtheit
Nein, es klappt einfach nicht. Smartphones mit USB-C Ladebuchse sind NIEMALS wasserdicht, auch wenn man extra ein IP-67 wasserdichtes Gerät kauft. Geht auch gar nicht, weil die Ladebuchse ist offen und das Wasser plätschert nur so hinein.
Ich wollte heuer extra clever sein und habe mir verschiedene Adapter und Dichtungsgummis gekauft. Ich wollte so ein Y-Splitterkabel (ein Eingang lädt, ein Eingang ist für Kopfhörer) immer im Telefon lassen, damit diese USB-C-Ladebuchse nie offen, sondern immer angesteckt ist. Doch es wird trotzdem feucht. Dann hatte ich noch so ganz kleine Kautschuk-Stoppel, die die Ladebuchse abdichten sollten. Doch es wird trotzdem feucht.
Immer kommt die Systemwarnung, dass „Feuchtigkeit entdeckt wurde und Laden daher nicht möglich ist“. Das nervt gewaltig. Daher hilft nur eines. Handy in doppelte Plastikfolie und Sackerl verpacken und einstecken. Erst wieder auspacken, wenn der Regen aufgehört hat.
Lustigerweise funktionieren ältere Modelle hervorragend: Bei den Mikro-USB-Ladesteckern war alles komplett nass, es tropfte vom Telefon und vom Kabel – aber angesteckt und alles war gut. Laden funktionierte problemlos, auch bei Gewitter. Als Backup sind diese älteren Modelle also sehr empfehlenswert (wobei sie meist keine e-Sims können).